Page 23 - FM_OL_3-2022_FLIPBOOK
P. 23
FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 3 | 2022
Sinne. Kinder sind Expert*innen für Fragen zu diesem Themenbereich – das eine Form der Kinder, ihre Gefühle
ihre eigene Trauer: Sie orientieren deshalb ist es sehr wichtig, Raum für zu verarbeiten.
sich in ihrem Verhalten – anders als ihre Fragen, Ideen und Vorstellungen
Erwachsene – viel weniger an gesell- zu geben und die Kinder im Umgang Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass
schaftlichen Normen und vielmehr an damit zu begleiten. Kinder sind in der Trauer eine Altersgrenze hat. Häufig
dem, was sich in der Situation gut und Regel neugierig auf die Themen Tod haben Erwachsene die Annahme, dass
richtig für sie anfühlt. und Trauer und behandeln sie ohne Kinder in einem bestimmten Alter zu
Schrecken und Angst. jung sind, um die Themen Tod und
FAM: Eltern möchten ihre Kinder be- Trauer verstehen zu können. Doch
schützen und sie am besten noch gar FAM: Ab welchem Alter haben Kinder auch wenn kleine Kinder noch nicht
nicht mit dem Tod konfrontieren. So eine Vorstellung vom Tod, da Fünfjäh- bewusst den Tod und seine Endlich-
wird befürchtet, dass das Kind Schaden rige noch kein ausgeprägtes Verständ- keit begreifen können, nehmen sie die
nehmen kann und die Fröhlichkeit des nis von Zeit und Dauer haben. Fabian Abwesenheit der verstorbenen Person
Kindes verloren geht. fragte: Kommt der Opa morgen mit wahr. Auch empfinden sie die Gefühle,
dem Hubschrauber zurück? die damit im engen Zusammenhang
Anne Schorsch: Die Themen Tod und stehen – insbesondere auch die ihrer
Trauer sind in unserer Gesellschaft Anne Schorsch: Ein konkretes Ver- nahen Bezugspersonen. So können
nach wie vor tabuisiert. Das führt bei ständnis von Zeit und damit auch der sie beispielsweise Unsicherheiten der
vielen Erwachsenen zu Unsicherhei- Unwiderruflichkeit des Todes beginnt Erwachsenen spüren und daraufhin
ten – denn die wenigsten von uns sich im Laufe des Grundschulalters zu ihre eigenen Gefühle unterdrücken,
sind geübt darin, darüber zu sprechen. entwickeln. Davor wird der Tod als et- was zu unverständlichem Verhalten
Doch die Realität sieht ebenfalls so was Zeitweiliges und Umkehrbares be- führen kann. Manche Kinder ziehen
aus, dass Kinder sich jeden Tag mit trachtet – was dazu führen kann, dass sich zurück, andere sind ärgerlich oder
diesen Themen beschäftigen. Sie Kinder eben solche Fragen stellen, wütend und wieder andere zeigen
sehen gestorbene Tiere, hören von Tod wie von Ihnen beschrieben. Nehmen alles gleichzeitig oder in schnellem
in der Nachbarschaft oder werden im Sie sich in so einem Fall Zeit für Ihr Wechsel. Kurzum: Sie trauern. Und die
Fernsehen oder in Zeichentrickfilmen Kind und beantworten Sie die Fragen Trauer zeigt sich bei jedem Kind ganz
damit konfrontiert. Sie haben viele wiederholt. Wie bereits erwähnt, ist individuell. Daher ist es wichtig, Mög-
lichkeiten für die Kinder zu schaffen,
ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen,
eigene Erfahrungen zu sammeln und
so ihren eigenen, ganz individuellen
Trauerweg zu finden.
„Trauerland – Zentrum für trauernde
Kinder und Jugendliche e. V.“ beglei-
tet seit 1999 trauernde Kinder und
Jugendliche, die einen nahestehenden
Menschen verloren haben. Der gemein-
nützige Bremer Verein mit Außenstelle
in Verden bietet ein umfangreiches
Hilfsangebot, das Trauergruppen für
Kinder und Jugendliche, einen Trauer-
treff für junge Erwachsene, Einzelbe-
ratungen, ein Beratungstelefon und
Kriseninterventionen in akuten Notla-
gen beinhaltet. Alle Angebote können
von den Betroffenen kostenfrei in An-
spruch genommen werden. Die Arbeit
des Vereins ist größtenteils spenden-
finanziert. Seit 2020 gibt der Verein
unter dem Namen trauerland bildung
die Erfahrung aus zwei Jahrzehnten
Trauerbegleitung von Kindern und
Jugendlichen weiter. Neben Workshops
und Seminaren für Fachkräfte gehört
auch die Ausbildung zur systemischen
Kinder- und Jugendtrauerbegleitung
dazu. www.trauerland.org
23