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FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG  3 | 2022







       Sinne. Kinder sind Expert*innen für   Fragen zu diesem Themenbereich –   das eine Form der Kinder, ihre Gefühle
       ihre eigene Trauer: Sie orientieren   deshalb ist es sehr wichtig, Raum für   zu verarbeiten.
       sich in ihrem Verhalten – anders als   ihre Fragen, Ideen und Vorstellungen
       Erwachsene – viel weniger an gesell-  zu geben und die Kinder im Umgang   Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass
       schaftlichen Normen und vielmehr an   damit zu begleiten. Kinder sind in der   Trauer eine Altersgrenze hat. Häufig
       dem, was sich in der Situation gut und   Regel neugierig auf die Themen Tod   haben Erwachsene die Annahme, dass
       richtig für sie anfühlt.             und Trauer und behandeln sie ohne   Kinder in einem bestimmten Alter zu
                                            Schrecken und Angst.                jung sind, um die Themen Tod und
       FAM: Eltern möchten ihre Kinder be-                                      Trauer verstehen zu können. Doch
       schützen und sie am besten noch gar   FAM: Ab welchem Alter haben Kinder   auch wenn kleine Kinder noch nicht
       nicht mit dem Tod konfrontieren. So   eine Vorstellung vom Tod, da Fünfjäh-  bewusst den Tod und seine Endlich-
       wird befürchtet, dass das Kind Schaden   rige noch kein ausgeprägtes Verständ-  keit begreifen können, nehmen sie die
       nehmen kann und die Fröhlichkeit des   nis von Zeit und Dauer haben. Fabian   Abwesenheit der verstorbenen Person
       Kindes verloren geht.                fragte: Kommt der Opa morgen mit    wahr. Auch empfinden sie die Gefühle,
                                            dem Hubschrauber zurück?            die damit im engen Zusammenhang
       Anne Schorsch: Die Themen Tod und                                        stehen – insbesondere auch die ihrer
       Trauer sind in unserer Gesellschaft   Anne Schorsch: Ein konkretes Ver-  nahen Bezugspersonen. So können
       nach wie vor tabuisiert. Das führt bei   ständnis von Zeit und damit auch der   sie beispielsweise Unsicherheiten der
       vielen Erwachsenen zu Unsicherhei-   Unwiderruflichkeit des Todes beginnt   Erwachsenen spüren und daraufhin
       ten – denn die wenigsten von uns     sich im Laufe des Grundschulalters zu   ihre eigenen Gefühle unterdrücken,
       sind geübt darin, darüber zu sprechen.   entwickeln. Davor wird der Tod als et-  was zu unverständlichem Verhalten
       Doch die Realität sieht ebenfalls so   was Zeitweiliges und Umkehrbares be-  führen kann. Manche Kinder ziehen
       aus, dass Kinder sich jeden Tag mit   trachtet – was dazu führen kann, dass   sich zurück, andere sind ärgerlich oder
       diesen Themen beschäftigen. Sie      Kinder eben solche Fragen stellen,   wütend und wieder andere zeigen
       sehen gestorbene Tiere, hören von Tod   wie von Ihnen beschrieben. Nehmen   alles gleichzeitig oder in schnellem
       in der Nachbarschaft oder werden im   Sie sich in so einem Fall Zeit für Ihr   Wechsel. Kurzum: Sie trauern. Und die
       Fernsehen oder in Zeichentrickfilmen   Kind und beantworten Sie die Fragen   Trauer zeigt sich bei jedem Kind ganz
       damit konfrontiert. Sie haben viele   wiederholt. Wie bereits erwähnt, ist   individuell. Daher ist es wichtig, Mög-
                                                                                lichkeiten für die Kinder zu schaffen,
                                                                                ihren Gefühlen Ausdruck zu verleihen,
                                                                                eigene Erfahrungen zu sammeln und
                                                                                so ihren eigenen, ganz individuellen
                                                                                Trauerweg zu finden.

                                                                                „Trauerland – Zentrum für trauernde
                                                                                Kinder und Jugendliche e. V.“ beglei-
                                                                                tet seit 1999 trauernde Kinder und
                                                                                Jugendliche, die einen nahestehenden
                                                                                Menschen verloren haben. Der gemein-
                                                                                nützige Bremer Verein mit Außenstelle
                                                                                in Verden bietet ein umfangreiches
                                                                                Hilfsangebot, das Trauergruppen für
                                                                                Kinder und Jugendliche, einen Trauer-
                                                                                treff für junge Erwachsene, Einzelbe-
                                                                                ratungen, ein Beratungstelefon und
                                                                                Kriseninterventionen in akuten Notla-
                                                                                gen beinhaltet. Alle Angebote können
                                                                                von den Betroffenen kostenfrei in An-
                                                                                spruch genommen werden. Die Arbeit
                                                                                des Vereins ist größtenteils spenden-
                                                                                finanziert. Seit 2020 gibt der Verein
                                                                                unter dem Namen trauerland bildung
                                                                                die Erfahrung aus zwei Jahrzehnten
                                                                                Trauerbegleitung von Kindern und
                                                                                Jugendlichen weiter. Neben Workshops
                                                                                und Seminaren für Fachkräfte gehört
                                                                                auch die Ausbildung zur systemischen
                                                                                Kinder- und Jugendtrauerbegleitung
                                                                                dazu. www.trauerland.org


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