Page 18 - FM_OL_3-2022_FLIPBOOK
P. 18

Familie und Soziales









                                                                                                                    © iStock.com/Nadezhda1906












                                                  Muss Opa sterben?






                                                              Wie begleite ich Kinder

                                                              bei Krankheit, Tod und


         Liebes Familienmagazin,                               Trauer in der Familie?
         ich (40 Jahre) hänge sehr an meinem Vater (72 Jahre). Leider
         ist bei ihm vor einigen Monaten eine Krebserkrankung mit
         schlechter Prognose diagnostiziert worden. Ich bin völlig fer-  Liebe Sarah,
         tig, mache mir große Sorgen, ob und wie er die Behandlun-  ja, wenn der eigene Vater schwer erkrankt, ist das eine
         gen verträgt, und habe Angst, ihn nicht mehr lange zu haben.  sehr herausfordernde Erfahrung.
                                                               Ich verstehe Ihre Frage aber eher so, dass Sie nicht
         Meine drei Kinder (3, 7 und 11 Jahre) hängen auch sehr an   wissen, wie Sie diese Situation angemessen mit Ihren
         ihrem Großvater und stellen viele Fragen, was mit dem Opa   Kindern besprechen sollen.
         ist, der einfach nicht mehr so fit ist, um mit ihnen zu spie-  Ich versuche mich einmal in Ihre Kinder, oder ganz kon-
         len. Ich versuche, sie zu beruhigen, dass alles in Ordnung   kret in Thore, hineinzuversetzen.
         ist, auch wenn das ja nicht stimmt. Aber ich möchte sie   Was erlebt das Kind wohl gerade?
         mit diesen Dingen nicht belasten. Gestern hat mich mein   Eine Mama, die anders ist als sonst. Eine Mama, die oft
         11-jähriger Thore aber gefragt: „Muss Opa sterben?“ Ich war   traurig ist, aber nicht sagt, warum. Ich bin verunsichert
         so schockiert über diese Frage, dass ich gar nicht mehr weiß,   als Kind. Verstehe nicht, was da passiert. Bekomme keine
         wie ich mich richtig verhalten soll.                  Antworten, wenn ich frage.
                                                               Dann ist da noch mein geliebter Opa. Mein großer Held.
         Sarah M., 40 Jahre                                    Der immer für mich da war, immer mit mir gespielt hat,
                                                               für jeden Spaß zu haben war. Auch er hat sich verändert.
                                                               Wir sehen ihn kaum noch. Und wenn, dann liegt er im
                                                               Bett, unternimmt nichts mehr mit uns. Wenn ich nachfra-
                                                               ge, bekomme ich auch hier keine Antworten. Das verun-
                                                               sichert mich, macht mir Angst. Ich fühle mich allein. Ich
                                                               fühle, dass die Erwachsenen nicht ehrlich sind. Ich fühle
                                                               mich ausgeschlossen.
                                                               Was brauche ich als Kind, wenn ich mich so fühle?
                                                               Ich brauche jemanden, der meine Verunsicherung sieht,
                                                               ernst nimmt und dann ehrlich mit mir ist.
                                                               Mir ehrlich auf meine Fragen antwortet und dann bei mir
                                                               ist, wenn mich die Antworten traurig machen. Traurig
                                                               sein ist schlimm, Angst haben ist schlimm. Aber wenn ich
                       © Foto Ventura                          dann nicht alleine bin, ist es nur halb so schlimm.

                                                                  Lange saßen sie dort
                     Zur Beantwortung und als Ratgeberin          und hatten es schwer.
                     befragen wir Sabine Tewes, Ärztin und        Doch sie hatten es gemeinsam schwer
                     Familientherapeutin in Oldenburg             und das war ein Trost.
                                                                  Leicht war es trotzdem nicht.




       18
   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22   23