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Familie und Soziales
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Muss Opa sterben?
Wie begleite ich Kinder
bei Krankheit, Tod und
Liebes Familienmagazin, Trauer in der Familie?
ich (40 Jahre) hänge sehr an meinem Vater (72 Jahre). Leider
ist bei ihm vor einigen Monaten eine Krebserkrankung mit
schlechter Prognose diagnostiziert worden. Ich bin völlig fer- Liebe Sarah,
tig, mache mir große Sorgen, ob und wie er die Behandlun- ja, wenn der eigene Vater schwer erkrankt, ist das eine
gen verträgt, und habe Angst, ihn nicht mehr lange zu haben. sehr herausfordernde Erfahrung.
Ich verstehe Ihre Frage aber eher so, dass Sie nicht
Meine drei Kinder (3, 7 und 11 Jahre) hängen auch sehr an wissen, wie Sie diese Situation angemessen mit Ihren
ihrem Großvater und stellen viele Fragen, was mit dem Opa Kindern besprechen sollen.
ist, der einfach nicht mehr so fit ist, um mit ihnen zu spie- Ich versuche mich einmal in Ihre Kinder, oder ganz kon-
len. Ich versuche, sie zu beruhigen, dass alles in Ordnung kret in Thore, hineinzuversetzen.
ist, auch wenn das ja nicht stimmt. Aber ich möchte sie Was erlebt das Kind wohl gerade?
mit diesen Dingen nicht belasten. Gestern hat mich mein Eine Mama, die anders ist als sonst. Eine Mama, die oft
11-jähriger Thore aber gefragt: „Muss Opa sterben?“ Ich war traurig ist, aber nicht sagt, warum. Ich bin verunsichert
so schockiert über diese Frage, dass ich gar nicht mehr weiß, als Kind. Verstehe nicht, was da passiert. Bekomme keine
wie ich mich richtig verhalten soll. Antworten, wenn ich frage.
Dann ist da noch mein geliebter Opa. Mein großer Held.
Sarah M., 40 Jahre Der immer für mich da war, immer mit mir gespielt hat,
für jeden Spaß zu haben war. Auch er hat sich verändert.
Wir sehen ihn kaum noch. Und wenn, dann liegt er im
Bett, unternimmt nichts mehr mit uns. Wenn ich nachfra-
ge, bekomme ich auch hier keine Antworten. Das verun-
sichert mich, macht mir Angst. Ich fühle mich allein. Ich
fühle, dass die Erwachsenen nicht ehrlich sind. Ich fühle
mich ausgeschlossen.
Was brauche ich als Kind, wenn ich mich so fühle?
Ich brauche jemanden, der meine Verunsicherung sieht,
ernst nimmt und dann ehrlich mit mir ist.
Mir ehrlich auf meine Fragen antwortet und dann bei mir
ist, wenn mich die Antworten traurig machen. Traurig
sein ist schlimm, Angst haben ist schlimm. Aber wenn ich
© Foto Ventura dann nicht alleine bin, ist es nur halb so schlimm.
Lange saßen sie dort
Zur Beantwortung und als Ratgeberin und hatten es schwer.
befragen wir Sabine Tewes, Ärztin und Doch sie hatten es gemeinsam schwer
Familientherapeutin in Oldenburg und das war ein Trost.
Leicht war es trotzdem nicht.
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