Page 22 - FM_OL_4-2024_FLIPBOOK
P. 22

Familie und Soziales






                    Wir mussten meine Mutter



                         ins Pflegeheim geben …





                               Wie soll ich diese Situation meistern?






                                    Liebes Familienmagazin,

                                    unsere Familie befindet sich gerade in einer sehr schweren Situation.
                                    Bisher sind mein Vater (88) und meine demente Mutter (84) noch ganz gut alleine zu Hause zu-
                                    rechtgekommen. Nach einem Oberschenkelhalsbruch meiner Mutter mussten wir sie aber zunächst
                                    in eine Kurzzeitpflege geben. Als dann die Entscheidung anstand, wie es weitergehen soll, wurde
                                    uns drei Kindern schnell klar, dass mein Vater mit der Pflegesituation zu Hause völlig überfordert
                                    sein würde, sodass wir dann schweren Herzens gemeinsam entschieden haben, sie in ein Pflegheim
                                    zu geben, damit sie dort gut versorgt ist.
                                    Diese Situation hat nun aber mein Leben völlig auf den Kopf gestellt. Ich wohne mit meiner eige-
                                    nen Familie 300 km entfernt und bin voll berufstätig. Natürlich fühle ich mich verantwortlich für
          Zur Beantwortung          meine Mutter und will sie regelmäßig dort besuchen und auch mein Vater braucht meine Unter-
          und als Ratgebe-          stützung bei dem gesamten Schriftkram, der nun anfällt. Seit einem halben Jahr fahre ich nun jedes
          rin befragen wir          Wochenende zu meinen Eltern. Ich merke aber, dass ich mit meinen Kräften zunehmend am Ende
          Sabine Tewes,             bin, wenn montags mein Berufsalltag wieder anfängt. Wie soll das weitergehen? Meine Mutter tut
          Ärztin und Famili-        mir so leid, wenn ich sehe, wie unglücklich sie dort ist. Aber wie kann ich allen gerecht werden,
          entherapeutin in          ohne selber auf der Strecke zu bleiben? Ich fühle mich so belastet, dass ich mich an nichts mehr
          Oldenburg
                                    freuen kann. Es fühlt sich so aussichtslos an. Haben Sie einen Tipp?

                                    Liane S., 55 Jahre




       Liebe Liane,                         Dafür sind zwei Fragen wichtig und   zu Ängsten und Unsicherheit. Seien
                                            hilfreich.                          Sie offen dafür, wenn sich Ihre Mutter
       zunächst einmal mein allerherzlichstes                                   mit ihren Ängsten und Unsicherheiten
       Mitgefühl. Wenn unsere Eltern alt und   1.Was braucht Ihre Mutter?       mitteilt. Nehmen Sie ihre Gefühle ernst,
       pflegebedürftig werden und wir uns dann   Zunächst einmal natürlich so viel wie   hören Sie zu und zeigen Sie Verständnis.
       eingestehen müssen, dass wir sie nicht   möglich Vertrautes. Am Anfang sind
       selber pflegen und betreuen können, tut   häufige und regelmäßige Besuche sicher   Versuchen Sie den Fokus Ihrer Mut-
       das weh.                             wichtig und hilfreich, um ihr ein Gefühl   ter aber auch immer wieder auf das zu
       Ich denke, Ihre Familie hat die richtige   von Sicherheit zu geben. Vertraute Dinge   lenken, was gut ist in dieser Situation.
       Entscheidung getroffen, indem sie die   wie bekannte Möbelstücke, Bilder oder   Vielleicht ist es das leckere Essen, die net-
       Mutter – wenn auch schweren Herzens –   die Lieblingsdecke können dazu beitra-  te Pflegerin, die immer so herrlich mit ihr
       in ein Pflegeheim gegeben haben.     gen, dass sich Ihre Mutter in der neuen   lacht, oder die Vögel auf der Fensterbank,
       Natürlich ist die fremde Umgebung für   Umgebung wohler fühlt. Sie können   die sie beobachten kann.
       ihre Mutter neu und in ihrer Demenz   versuchen, mit ihr zusammen ihr neues
       fühlt sie sich dort verständlicherweise   Zuhause so gemütlich wie möglich zu   Zeigen Sie Mitgefühl, aber kein Mitleid.
       unsicher. Ihre Mutter unglücklich zu   gestalten.                        Es geht letztlich darum, diese Situation
       sehen, ist schwer.                                                       als das zu akzeptieren, was es ist: die
       Die emotionale und körperliche Belas-  All das kann aber nicht darüber hin-  einzige tragbare Lösung. Ihre Mutter hat
       tung für Sie als Tochter in dieser Situati-  wegtäuschen, dass dieser neue Lebens-  84 Jahre selbstständig gelebt und ist nun
       on ist nicht zu unterschätzen.       abschnitt für Ihre Mutter ein massiver   im Alter auf fremde Hilfe angewiesen.
                                            Umbruch ist. Gerade wenn dann auch   Wie gut, dass wir Pflegeheime haben,
       Wie also können Sie diese Situation   noch Demenz mit im Spiel ist, führt die   wo man sich um unsere alten Menschen
       meistern?                            neue Umgebung verständlicherweise   kümmert.


       22 familienmagazin | Winter 2024
   17   18   19   20   21   22   23   24   25   26   27