Page 17 - FM_OL_4-2024_FLIPBOOK
P. 17
Über 150 Merkmale werden im
Wald erfasst: Baumart, Höhe,
Durchmesser, Schäden ...
Fichten angestiegen. Mit fortschreitenden Schadholz = 1/3 mehr
Klimaveränderungen wird diese Bau- Naturschutzholz im Wald?
mart also weiter für Probleme sorgen, vor
allem in älteren Monokulturen. Gleich- Die Erfassung toter Bäume, stehend oder
zeitig bleibt die Fichte mit der Kiefer auf dem Waldboden liegend, ist eigentlich
der „Brotbaum“ für die Forstwirtschaft gedacht als Naturschutz-Indikator für die
und die auf Nadelbäume ausgerichtete Zunahme der an tote Bäume gebundenen
Holzwirtschaft, die zu 90 % Nadelholz Tier- und Pflanzenarten bis hin zu den
verarbeitet. Zersetzerlebensgemeinschaften. Nun hat
das Totholz binnen zehn Jahren um ein © Rainer Städing
Der Wald ein wichtiger Drittel zugenommen. Ist das ein Gewinn
CO₂-Speicher? für die vorgenannten Arten und Lebens- Sägeanlagen zumeist nur noch Bäume
gemeinschaften? Nur bedingt, denn ein
Seit 2012 nahm der CO₂-Vorrat wie im- Großteil der Zunahme dürften stehen zwischen zwanzig und vierzig Zentimeter
mer zu, durch die großen Entwaldungen gelassene Schadbäume sein. Ob in einem Durchmesser verarbeiten können. Diese
seit 2017 schrumpfte er um 3 %. Diese normal bewirtschafteten Wald das öko- Gegensätze sollten durch guten Interes-
Meldung sorgte für tagelange Schlag- logisch wirksame Totholz zugenommen senausgleich zu lösen sein. Als Waldbesu-
cher sind wir lachende Dritte, wenn mehr
zeilen in den Medien – der Wald würde
hat, lässt sich daher nicht (mehr) ableiten.
© Landesforsten Rheinland-Pfalz / Jonathan Fieber gemach, wenn in zehn bis zwanzig Jahren Mehr (Nutz-)Holz, mehr alte und schönheit sorgen.
vom CO₂-Senker zur CO₂-Quelle. Aber
dicke und alte Bäume für mehr Wald-
die jetzigen Schadflächen nachgewachsen
dicke Bäume – Fluch und Segen?
sind, werden sie wieder optimal Koh-
Katastrophen prägen den
Trotz der großen Waldschäden hat
lenstoff aufnehmen. Hinzu kommt, dass
Holzeinschlag und sind
ältere Wälder weniger zuwachsen, und in
Deutschland immer noch die EU-weit
den letzten Dürrejahren sind viele Wälder
langsamer gewachsen. Logisch, dass auch
an den immer dicker werdenden Bäu-
men – fast 30 % sind über einen halben
Über alle Bundesländer hinweg sind in
das die CO₂-Aufnahme vermindert. Im höchsten Holzvorräte. Das liegt auch Chance für Neuentwicklung
Ganzen fehlen 16 % Zuwachs im Ver- Meter dick. Gleichzeitig sind die Bäume den letzten zehn Jahren zwei Fünftel der
gleich zu 2012. Trotzdem sind weiterhin im Durchschnitt auch älter geworden, Wälder nicht genutzt worden (43 %).
riesige CO₂-Mengen in den Bäumen und nämlich 82 Jahre. Das ist viel, aber Das hat sicher auch damit zu tun, dass
im Boden gebunden und der Wald behält angesichts der mehrhundertjährigen die Bewältigung der Kalamitätsschäden
überwiegend seine weiteren wichtigen Lebenserwartung vieler Baumarten auch seit 2017 zu einer Konzentration auf die
klimaschützenden Wirkungen. Wir kön- wenig. Daher werden Naturschützer Nutzung geschädigter Bäume geführt
nen daraus lernen, wie wichtig der Erhalt monieren, dass etwa die Menge an über hat und reguläre Pflege- und Durchfors-
intakter Wälder ist. 160-jährigen Laubwäldern bei lediglich tungen zurückgestellt worden sind. Auf
3 % liegt. Klimaschützer könnten sagen, den Schadensflächen selbst wurde positiv
Der Kohlenstoffspeicher in langlebigen nutzt die alten langsam wachsenden Bäu- festgestellt: „Auf den betroffenen Flächen
Holzprodukten, wie Holzhäusern, bindet me, denn schnelles Wachstum mit mehr lässt sich vielerorts der eingesetzte Wandel
übrigens aktuell zusätzlich 5 Mio. Tonnen Kohlenstoffaufnahme haben Bäume vor der Waldbewirtschaftung weg von Reinbe-
CO₂ pro Jahr, das entspricht 0,8 % unserer allem in der Jugend. Die Sägeindustrie ständen hin zu Mischwäldern erkennen.“
jährlichen CO₂-Emission (600 Millionen wiederum kann die dicken Bäume immer
Tonnen in 2023 laut Umweltbundesamt). weniger verarbeiten, weil die modernen Die nächste Erfassung
ist schon in Arbeit
Gerade läuft die bundesweite Bodenzu-
standserhebung, sie nimmt bis Ende 2024
50.000 Proben an 2.000 Waldstandor-
ten. Die aufwendige Auswertung in den
Laboren wird vier Jahre dauern, sodass
Aussagen zu CO₂-Bindung, Versauerung,
Humuszustand usw. erst Ende 2028
erwartet werden.
Nachlesen: bwi.info.de;
bundeswaldinventur.de;
bmel.de unter „Wald in Deutschland“
Rainer Städing, rstaeding@mailbox.org
familienmagazin | Winter 2024 17