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EXPERTENINTERVIEW mit Jan­Philipp Kuhlmeier,
                                       Regionalgeschäftsführer BARMER Oldenburg





              Über die Entwicklung und Höhe des Beitrags





              FAM: Die Bürgerinnen und Bürger sind durch die   oder bei seltenen Erkrankungen. Um die Patien­
              steigenden Beiträge beunruhigt. Können Sie uns   tensicherheit dieser vielfach nur wenig erprobten
              anhand eines Zahlenbeispiels nennen, was ein    innovativen Arzneimitteltherapien zu erhöhen,
              Versicherter mit durchschnittlichem Einkommen   sollten sie nur an hochspezialisierten, besonders
              tatsächlich mehr aufwenden muss?                qualifizierten Zentren wie Unikliniken zum Einsatz
                                                              kommen. In diesem kontrollierten Umfeld kann
              Kuhlmeier: BARMER­Versicherte haben den Vorteil,   durch eine umfassende Evaluation die Datenlage
              dass durch unseren stabilen Beitrag das durch­
              schnittliche Haushaltseinkommen durch die Kran­
              kenkassenbeiträge im Vergleich zum Vorjahr nicht
              zusätzlich belastet wird. Allerdings werden inflati­  „Die Rolle der Krankenkassen
              onsbedingte Mehrkosten in allen Bereichen weitere
              Löcher in die jeweilige Haushaltskasse reißen.    muss dabei zukünftig über die
              Gerade die steigenden Energiekosten werden sich
              negativ bemerkbar machen, 2.000 bis 3.000 Euro je   eines ‚reinen Kostenträgers‘
              Haushalt sind da einzuberechnen. Erhöht sich der
              Zusatzbeitrag einer Krankenkasse bei einem Brutto­
              Einkommen von 3.500 Euro um 0,3 Prozent, sprechen   hinausgehen ...“
              wir von einer Mehrbelastung von 126 Euro pro Jahr.
              Die Mehrbelastung wird aber in den meisten Fällen
              etwas gedämpft. Denn die Krankenkassenbeiträge
              kann man als Vorsorgeaufwendungen von der Steu­  zur Wirksamkeit verbessert und gleichzeitig eine
              er absetzen. Wie stark das die Ersparnis mindert,   hohe Behandlungsqualität sichergestellt werden.
              hängt vom persönlichen Steuersatz ab. BARMER­   Die Rolle der Krankenkassen muss dabei zukünftig
              Versicherte können ihren Beitrag zusätzlich durch   über die eines „reinen Kostenträgers“ hinausge­
              Beitragsrückerstattungstarife um mehrere Hundert   hen und sollte darin bestehen, die Qualitäts­ und
              Euro im Jahr mindern.                           Sicherheitskriterien für die Versorgung mit neuen
                                                              Therapieansätzen mitzugestalten – auch um auf
              FAM: Die weiteren Pläne des Gesundheitsministe­  diesem Wege dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit
              riums sehen die Einführung eines Solidarbeitrags   der Versorgung Rechnung zu tragen. Damit kann
              der Krankenkassen vor und Sparmaßnahmen u. a.   die Finanzierbarkeit und die Leistungsfähigkeit des
              bei Apotheken und Ärzten. Was bedeutet das für die   Gesundheitssystems erhalten und eine Arzneimit­
              Krankenkassen und die Versicherten?             telversorgung auf hohem Niveau gesichert werden.
                                                              Preis und Nutzen neuer Arzneimittel müssen in ei­
              Kuhlmeier: Ziel der Arzneimittelpolitik muss es wei­  nem vertretbaren Verhältnis stehen. Für die Zukunft
              terhin sein, einen schnellen Zugang zu Arzneimittel­  werden deshalb Strategien benötigt, wie notwen­
              innovationen sicherzustellen und gleichzeitig die   dige Arzneimitteltherapien zu bezahlbaren Preisen
              Bezahlbarkeit für das Gesundheitssystem im Blick   gewährleistet werden können. Dazu zählt etwa,
              zu behalten. Eine besondere Herausforderung stellt   dass der mit dem GKV­Spitzenverband verhandelte
              in diesem Zusammenhang die immer größer wer­    Erstattungsbetrag für ein neues Arzneimittel rück­
              dende Zahl hochpreisiger Arzneimittel im Bereich   wirkend ab dem ersten Tag des Inverkehrbringens
              neuartiger Therapien dar, etwa in der Onkologie   wirken muss und nicht erst ab dem 13. Monat.







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