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FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 1 | 2021
© Fotos: Rainer Städing Werner David
„Lebensraum Totholz – Gestaltung
und Naturschutz im Garten“
ISBN: 978-3895662706
pala-Verlag, 16 Euro
Großhöhlen entstehen ab Baumdicken
von etwa 80 Zentimetern und dafür
braucht es alte Buchen und Eichen von
200 bis 300 Jahren. Bei Nadelbäumen
reicht die halbe Zeit. Welch vielfältiges
Leben sich im Dunkel dieser Höhlen
über Jahrzehnte hinweg abspielt, wird
vom Autor sehr gut ins Licht gerückt.
Die Zersetzerlebens- knapp beleuchtet. Die Lektüre ist durch
Holz und seine Zersetzer gemeinschaften zarte Schwarz-Weiß-Zeichnungen von
Margret Schneevoigt illustriert.
Wenn ich mich mit dem Holzabbau
befasse, muss ich zunächst den Holz- Die Baumhöhlen und der Mulm sind Totholz geht auch im
aufbau kennen. Wenn Sie sich, liebe erst der Anfang einer langen Artenket-
Leser*innen, im Buch am Beispiel der te. In den 1990er-Jahren untersuchte Garten – nützliche Tipps
Spaghettibolognese die Holzstruk- eine Biologin fünf Jahre lang einen
tur aus Zellulose, Hemizellulose und totholzreichen Mischwald bei Zürich Damit ist dieses inhaltsreiche Buch
Lignin gemerkt haben, geht es zu und fand allein 1.100 Fliegen- und noch nicht zu Ende. Im letzten Viertel
den tausenden Mitspielern, die sich Mückenarten und 500 Käferarten – erleben Sie ein Feuerwerk an Mög-
damit beschäftigen, das Holz am Ende einige davon als Neuentdeckung oder lichkeiten, im eigenen Garten Totholz-
seines Lebenszyklus wieder in seine Erstfund. Nun folgt im Buch ein Par- strukturen zuzulassen. Das fängt an
Bestandteile zu zerlegen. Eine Kreis- forceritt durch die Biologie der Arten, beim naturbelassenen Holzzaun, an
laufwirtschaft, die unsere Art mit Müll die mit dem Biotop Totholz verge- dem sich Flechten ansiedeln können,
umzugehen mehr als stümperhaft sellschaftet sind. Das ein oder andere geht über den Einsatz von Hack-
erscheinen lässt. werden Sie aus dem Schulunterricht schnitzeln bis hin zur Anlage eines
erinnern. Aber anders als im Biounter- Käferbeetes, eines Totholzzaunes oder
Spechte und Baumhöhlen richt – zumindest wie ich ihn erlebt Totholzpyramiden. Voraussetzung ist
habe – werden hier die Zusammen- die Bereitschaft, sich auf den Reiz von
Lange bevor der Baum abstirbt, begin- hänge deutlich – ein Netzwerk des Le- etwas mehr Unordnung einzulassen.
nen die Spechte und viele Pilzarten bens entfaltet sich und man erkennt,
im Stamminneren alter Bäume ihr welche Rolle die verschiedenen Arten Wenn Sie nach der Buchlektüre, die
Zersetzungswerk. Lassen Sie sich im spielen. Sie sind aber auch spannend auch Tipps zum Erleben von tot-
Buch überraschen von der besonderen für sich zu lesen, die Kapitel über Pil- holzreichen Wäldern enthält, durch
Rolle der Spechte für Baumhöhlen ze, Moose, Flechten, Schnecken sowie einen der hiesigen vier „Urwälder“ im
und Nachmieter. Aber auch die Arbeit Insekten, als da sind Fliegen, Mücken, Hasbruch, in Neuenburg, bei Ahlhorn
der Pilze bei der Vergrößerung von Ameisen, Wespen und Bienen. Weiter oder bei Goldenstedt spazieren gehen,
Baumhöhlen ist spannend bis hin geht es durch die Welt der Spinnen- werden Sie diese mit anderen Augen
zur Entstehung von sogenanntem tiere, Reptilien und Amphibien. Dazu betrachten. Aber bereits im Eversten
Mulm im Bauminnern. Dieser bildet Vögel und Säugetiere, vom Specht Holz lassen sich vorbildliche totholz-
zusammen mit dem Abfall anderer über die Rötelmaus und den Baummar- reiche Strukturen entdecken.
Höhlenbewohner ein ganz besonders der bis zu den Fledermäusen.
nahrhaftes Substrat für Käferarten wie
den Eremit. Die besonders wichtigen Zwischendurch hat der Autor informa-
tive Exkurse eingefügt, sei es zu den
Wildbienen oder Spechten, den Spin-
nenweben, zum Zunderschwamm oder
dem schon beschriebenen Holzmulm.
Aber auch grundsätzliche Fragen über
die Bedeutung von Insekten, die Nut-
zung von Insekten durch die Menschen
oder die Totholzpilze werden in eige-
nen Absätzen aufgegriffen und kurz und
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