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Hobby und Freizeit
BUCH-TIPP
Besprechung eines sehr lebendigen Buches
von Rainer Städing
Faszination Totholz
n meinem Försterleben habe ich mir
Wissen über die Bedeutung alter,
Iabsterbender und toter Bäume für
den Naturhaushalt angeeignet. Und in
meinem Braunschweiger Waldrevier
habe ich schon vor über 20 Jahren
Uralt-Bäume im Privatwald aus der
Nutzung kaufen lassen. Einigen mäch-
tigen abgestorbenen Laubbäumen, die im reinen Wirtschaftswald wird der
verkehrsgefährdend an Wanderwegen Baum in der Optimalphase geerntet.
standen, haben wir mit dem Techni- Alle Wälder brauchen Totholz Das ist oft lange bevor die für viele
schen Hilfswerk die Kronen wegge- Arten im Wald so wichtige Alterungs-
sprengt, um wertvolle Hochstümpfe Der Begriff Totholz ist zwar nicht sehr und Zerfallsphase beginnt. Entspre-
für Specht und Co. zu erhalten, anstatt ansprechend, hat sich aber in der Fach- chend kritisch geht der Autor mit der
sie unten abzusägen. Umso mehr welt eingebürgert für „stehendes und Entwicklung der Forstwirtschaft ins
hat mich das gerade neu aufgelegte liegendes abgestorbenes Holz“. Dabei Gericht, die aus seiner Sicht dem Wald
Buch von Werner David „Lebensraum ist hier der Tod der Beginn einer unge- zu viel Nährstoffe entzieht und nicht
Totholz“ begeistert. Auf 170 Seiten ist heuren biologischen Aktivität, die letzt- genügend Totholz vorhält.
ihm ein sehr lebendiges und anschau- lich zur kompletten Zersetzung zu Hu-
liches Kompendium über die Bedeu- mus führt. Bereits vor dem Absterben
tung der Alters- und Zerfallsphase von beginnt dieser Prozess, nämlich in der
Bäumen für die Artenvielfalt gelungen. Alters- und Zerfallsphase von Bäumen,
„Wohin man auch blickt, überall stößt der sich wie im Falle von alten Eichen
man auf eine schier grenzenlose Ar- über Jahrhunderte erstrecken kann.
tenfülle. Totholz ist Leben pur, Leben
in überschäumender Fülle“, so drückt In einem Schnelldurchgang lernen wir,
der Autor seine eigene Begeisterung warum reine Wirtschaftswälder zur
am Beginn des Buches aus, die den Artenverarmung neigen, wenn man
Leser durch das ganze Buch begleitet. sie lediglich unter dem Aspekt der
Aber der Reihe nach. Holzproduktion betrachtet. Ein be-
geisterter Naturschützer verklärt dann
schnell die Urwälder als anzustreben-
de reine Natur und dazwischen steht Ausführlich beschäftigt sich der Autor
man als Förster, der sich genauso für mit den Vorurteilen gegenüber Tot-
Urwälder wie für umweltfreundliche holz – hässlich, gefährlich, Schädlinge
Holzhäuser begeistern kann. Deutlich anziehend. Dem setzt er die Pluspunk-
wird aber durch das ganze Buch, dass te gegenüber – Nährstoffspeicher,
wir einen bedeutenden Anteil hei- Lebensraum, Humusbildung, Mikro-
mischer Bäume im Wald benötigen, habitate, Erosionsschutz, Gewässer,
die möglichst alt werden können und Waldverjüngung und Ästhetik.
dass ein Teil davon dem natürlichen
Zerfall überlassen bleiben muss. Denn
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