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FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 1 | 2018

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le nennen wir „Kinderzimmer“. Hier         Dingen sollten Eltern sich nicht auf     FAM: Wie können Eltern damit
herrscht eine ganz eigene „Streuord-       Provokations- und Aggressionsebenen      zurechtkommen, wenn Pubertie-
nung“, abgeschirmt von Sauerstoff          einlassen, die ihnen angeboten werden.   rende die Familie verlassen?
und störenden Umwelteinflüssen, und        Sie sollten versuchen, gefühlsmäßig      Angela Paradies: Es gibt natürlich
– bitte! – für ungebetene Eltern tabu!“    einen gewissen Abstand zu gewinnen.      gesetzliche Grenzen, die hier einen
FAM: Diesen Rückzug auszuhalten            Wenn der Puls hochgeht, darf man         Rahmen setzen. Ab einem bestimmten
und Punching-Partner zu sein, ist          durchaus erst einmal tief durchatmen     Alter ist es aber auch wichtig, diesen
für Eltern ja nicht leicht. Was hilft      oder für einen Moment den Raum ver-      Schritt zu respektieren. Die Eltern
Eltern im manchmal schwierigen             lassen, um sich zu sortieren und später  sollten jedoch die Jugendlichen offen
Umgang mit Pubertierenden?                 weiterzureden. Eltern können ihren       und ehrlich mit ihrer Meinung kon-
Angela Paradies: Ich rate Eltern: Bitte    Heranwachsenden vermitteln, wie man      frontieren, klar sagen, wie sie darüber
verlieren Sie nicht Ihren Humor!           Konflikte konstruktiv und mit zwi-       denken. Elementar wichtig ist in jedem
Die Kinder sind in dieser Zeit nicht       schenmenschlicher Wertschätzung aus-     Fall, dass man signalisiert, dass die
„normal“ im Vergleich mit unseren          tragen kann. Werte wie Rücksicht, Ach-   Tür und das Herz der Eltern für die
gefühlten Werten von „Normalität“.         tung und Mitgefühl werden auf diese      Kinder offenstehen. Die Auszeit der
Durch die Veränderungen im Gehirn          Weise durch die Eltern vermittelt, die   Jugendlichen vom Elternhaus kann
verändert sich auch im Wertesystem         den Jugendlichen Sicherheit und Halt     Monate dauern, und sie kann für Eltern
der Jugendlichen enorm viel! Sie           geben und ein gutes Vorbild darstellen.  sehr hart sein. Aber Vorwürfe oder
hinterfragen, müssen sich sozusagen        Es könnte eine Regel in der Familie      Kontaktabbrüche sind kontraproduktiv.
ganz neu erfinden. Nach einem alchie-      aufgestellt werden, dass man beim        Das Beste, was Eltern tun können, und
mistisch anmutenden Prozess, der bei       Ringen um neue Modelle und Dis-          zwar während aller Herausforderun-
einigen Pubertierenden länger, bei         kutieren miteinander im fairen Aus-      gen, die die Pubertät mit sich bringt,
anderen kürzer dauert, erheben sie sich    tausch bleibt. Dabei geht es nicht       ist, den Jugendlichen bedingungslos
schließlich wie Phönix aus der Asche,      um Scheinkompromisse, sondern um         ein Beziehungsangebot zu machen
um als gewandelte Menschen wieder          wirkliches Hinschauen und echtes         sowie ehrlich und offen zu bleiben für
am „normalen“ Leben teilzunehmen.          Interesse, damit höhere Lösungen         Gespräche und konstruktive Ausein-
Es gibt keine Patentrezepte. Pubertät      gefunden werden, auf die sich beide      andersetzungen mit ihren Kindern.
ist ein sehr individueller Prozess. Beide  Seiten verständigen können. Die Ju-
Seiten – Eltern und Kinder – müssen        gendlichen sollten dadurch ermuntert
lernen, Grenzen und Freiheiten, bzw.       werden, selbst Lösungsstrategien zu
Freiräume, neu zu definieren. Vor allen    entwickeln. Auch hierbei sind Probe-
                                           handeln und Fehlermachen erlaubt!

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