Page 35 - merged
P. 35
FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 1 | 2018
© simoneminth, fotolia
le nennen wir „Kinderzimmer“. Hier Dingen sollten Eltern sich nicht auf FAM: Wie können Eltern damit
herrscht eine ganz eigene „Streuord- Provokations- und Aggressionsebenen zurechtkommen, wenn Pubertie-
nung“, abgeschirmt von Sauerstoff einlassen, die ihnen angeboten werden. rende die Familie verlassen?
und störenden Umwelteinflüssen, und Sie sollten versuchen, gefühlsmäßig Angela Paradies: Es gibt natürlich
– bitte! – für ungebetene Eltern tabu!“ einen gewissen Abstand zu gewinnen. gesetzliche Grenzen, die hier einen
FAM: Diesen Rückzug auszuhalten Wenn der Puls hochgeht, darf man Rahmen setzen. Ab einem bestimmten
und Punching-Partner zu sein, ist durchaus erst einmal tief durchatmen Alter ist es aber auch wichtig, diesen
für Eltern ja nicht leicht. Was hilft oder für einen Moment den Raum ver- Schritt zu respektieren. Die Eltern
Eltern im manchmal schwierigen lassen, um sich zu sortieren und später sollten jedoch die Jugendlichen offen
Umgang mit Pubertierenden? weiterzureden. Eltern können ihren und ehrlich mit ihrer Meinung kon-
Angela Paradies: Ich rate Eltern: Bitte Heranwachsenden vermitteln, wie man frontieren, klar sagen, wie sie darüber
verlieren Sie nicht Ihren Humor! Konflikte konstruktiv und mit zwi- denken. Elementar wichtig ist in jedem
Die Kinder sind in dieser Zeit nicht schenmenschlicher Wertschätzung aus- Fall, dass man signalisiert, dass die
„normal“ im Vergleich mit unseren tragen kann. Werte wie Rücksicht, Ach- Tür und das Herz der Eltern für die
gefühlten Werten von „Normalität“. tung und Mitgefühl werden auf diese Kinder offenstehen. Die Auszeit der
Durch die Veränderungen im Gehirn Weise durch die Eltern vermittelt, die Jugendlichen vom Elternhaus kann
verändert sich auch im Wertesystem den Jugendlichen Sicherheit und Halt Monate dauern, und sie kann für Eltern
der Jugendlichen enorm viel! Sie geben und ein gutes Vorbild darstellen. sehr hart sein. Aber Vorwürfe oder
hinterfragen, müssen sich sozusagen Es könnte eine Regel in der Familie Kontaktabbrüche sind kontraproduktiv.
ganz neu erfinden. Nach einem alchie- aufgestellt werden, dass man beim Das Beste, was Eltern tun können, und
mistisch anmutenden Prozess, der bei Ringen um neue Modelle und Dis- zwar während aller Herausforderun-
einigen Pubertierenden länger, bei kutieren miteinander im fairen Aus- gen, die die Pubertät mit sich bringt,
anderen kürzer dauert, erheben sie sich tausch bleibt. Dabei geht es nicht ist, den Jugendlichen bedingungslos
schließlich wie Phönix aus der Asche, um Scheinkompromisse, sondern um ein Beziehungsangebot zu machen
um als gewandelte Menschen wieder wirkliches Hinschauen und echtes sowie ehrlich und offen zu bleiben für
am „normalen“ Leben teilzunehmen. Interesse, damit höhere Lösungen Gespräche und konstruktive Ausein-
Es gibt keine Patentrezepte. Pubertät gefunden werden, auf die sich beide andersetzungen mit ihren Kindern.
ist ein sehr individueller Prozess. Beide Seiten verständigen können. Die Ju-
Seiten – Eltern und Kinder – müssen gendlichen sollten dadurch ermuntert
lernen, Grenzen und Freiheiten, bzw. werden, selbst Lösungsstrategien zu
Freiräume, neu zu definieren. Vor allen entwickeln. Auch hierbei sind Probe-
handeln und Fehlermachen erlaubt!
35