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Soziales

     Kindesaufenthalt nach
    Trennung oder Scheidung

    Das Wohl des Kindes muss über das geeignete Wohnmodell entscheiden!

              Interview mit Diplom-Psychologin Angela Paradies

Zwei Wochen bei Mama, zwei               dass die Eltern so nahe beieinander        FAM: Über eine solche Konfliktbe­
       Wochen bei Papa, nur jedes zwei­  wohnen, dass das Kind seine Verpflich­     arbeitung können Eltern ja auch
       te Wochenende bei Papa oder       tungen und sozialen Beziehungen, also      wieder zusammenfinden. Wie kom­
Mama und Papa im Wechsel mit den         Schule, Freundschaften, Vereinsleben       men Kinder denn damit zurecht,
Kindern? – Trennungsfamilien müssen      etc., von beiden Elternhäusern aus         wenn Papa und Mama plötzlich
diese schwierige Entscheidung treffen!   pflegen kann. Und – ganz wichtig! –        wieder ein Paar sind, vielleicht so­
FAM: Frau Paradies, gängig in Deutsch­   die Eltern sollten in wesentlichen         gar wieder zusammen leben wol­
land ist nach wie vor, dass Trennungs­   Punkten der Erziehung gleiche Vor­         len? Ist das keine Überforderung?
kinder überwiegend bei der Mutter        stellungen haben, also Werte, Regeln       Angela Paradies: Nein, dieser Wunsch
leben und nur jedes zweite Wochen­       und Konsequenzen, Vorstellungen            ist doch ohnehin meist tief in den
ende beim Vater („Residenzmodell“).      über die Schulbildung des Kindes etc.,     Seelen von Trennungskindern veran­
Abwechselnd zu gleichen Teilen bei       sollten sich weitestgehend decken,         kert, und es ist aus psychologischer
jeweils einem Elternteil zu leben        denn sonst kommt das Kind in einen         Sicht überhaupt nicht schädlich,
(„Wechselmodell“), ist bislang eher      Loyalitätskonflikt. Wenn man aber          solange die Eltern ihre Konflikte
die Ausnahme und wird derzeit heftig     bedenkt, dass es ja für die Trennung       aufgearbeitet haben und kein wie­
diskutiert. Darüber hinaus gibt es das   der Eltern meist gute Gründe gab, die      derholtes Scheitern vorprogrammiert
„Nestchenmodell“, bei dem das Kind       eben darin lagen, dass sie sich nicht      ist! Schaden entsteht, dies hat man
an einem festen Platz lebt und die El­   einig waren, und es schwere Konflik­       insbesondere bei depressiven pu­
tern abwechselnd beim Kind wohnen.       te gab, dann ist das Wechselmodell         bertierenden Mädchen festgestellt,
Welche Voraussetzungen müssen            vielleicht theoretisch von Eltern gut      wenn sich ein Elternteil vollkommen
erfüllt sein, damit aus psychologischer  gemeint, aber in der Realität eine         zurückzieht und außerhalb der ver­
Sicht das Wechselmodell im Sinne des     komplette Überforderung für alle           einbarten Wochenenden die Bezie­
Kindeswohls umgesetzt werden kann?       Beteiligten, die das Kind nicht unter­     hung zu den Kindern nicht pflegt.
                                         stützt, sondern innerlich destabilisiert.

Angela Paradies: Grundsätzlich sollte    FAM: Wie kann das Wechselmodell            FAM: Welche Belastung bedeutet
man den gesellschaftlichen Wandel        bei bestehenden Konflikten zum             das Wechselmodell für Kinder
berücksichtigen. Etwa zwei Drittel der   Kindeswohl geregelt werden?                grundsätzlich?
Väter nutzen Elternzeit, engagieren      Angela Paradies: Bevor ein solches         Angela Paradies: Stellen Sie sich ein­
sich und haben ein hohes Interesse an    Modell umgesetzt wird, sind die            mal vor, sie müssten ständig zwischen
aktiver Vaterschaft. Viele Mütter sind   Eltern gefordert, sich, wenn nötig         zwei Wohnungen pendeln. Einpacken,
berufstätig und fordern deshalb dieses   mit professioneller Hilfe, gütlich         auspacken, sich wieder neu einfinden,
Engagement von den Vätern auch ein.      über die Erziehungsmethoden und            vielleicht nicht wissen, was in der
Das Wechselmodell wird also oft auch     -ziele zu einigen und ihre Konflik­        Zwischenzeit am zweiten Ort syste­
von beiden Elternteilen gewünscht.       te zu bereinigen. Das ist im Sinne         misch los war … Es ist unter optimalen
Voraussetzung dafür, dass das Wech­      des Kindeswohls elementar.                 Bedingungen zwar möglich, vierzehn­
selmodell gelingen kann, ist jedoch,

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